Bewegende Beiträge auch von EHS-Schülern

Der Himmel schien ebenfalls zu weinen, es regnete ohne Unterlass, der Anlass des Gedenkens an die Opfer von Krieg in Vergangenheit und Gegenwart war und ist traurig, und in den Reden aller Beteiligten wurde den Opfern gedacht und an das Erinnern gemahnt. Das Hessische Polizeiorchester eröffnete die Zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag am 16. November 2014 mit einem Choral, und mit wunderbarer Homogenität und Klangfülle stimmte das Musikkorps auf die folgenden Reden ein, deren Beginn Oberbürgermeister Sven Gerich übernahm.

Die eminente Bedeutung des Gedenkens unterstrich Gerich mit George Santayanas Aussage „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“, wobei Gerich im Folgenden nicht nur einen Blick zurück auf die Kriege und Krisen der Vergangenheit warf, sondern auch auf aktuelle Ereignisse zu sprechen kam, dabei die Bedeutung des Hoffens für Gegenwart und Zukunft betonte und auf aktuelle Ereignisse der heutigen Zeit hinzeigte. Er wies auf die Problematik und die große Gefahr in den Krisenregionen der Welt hin und schlug schließlich auch einen Bogen zu einer glücklich beendeten Krise der jüngeren Geschichte Deutschlands: dem Mauerfall Berlins und der glücklichen Einheit Deutschlands – zu deren Jahrestagsfeierlichkeiten Gerich in Berlin selbst jüngst anwesend war.

Die Überleitung zu den weiteren Redebeiträgen durch Schülerinnen und Schüler der Elly-Heuss-Schule übernahm ein Blechbläserensemble, bestehend aus Schülern und Lehrern ebenfalls von dieser Schule: Sebastian Bleissner, Chiara Fumero, Kevin Nguyen, Niklas Pitz, Daniel Sibo, Moritz Wimmer, Uta Becker, Wolfgang Emmerich und Marcin Winiecki spielten sensibel und doch intensiv ihre sorgsam einstudierten Werke von Michael Praetorius und Joseph Haydn und sorgten so für einen weiteren Moment des Innehaltens.

Die sich anschließenden Redebeiträge von den Oberstufenschülerinnen und -schülern waren in ihrer Authentizität und Eindringlichkeit wahrlich ergreifend. Paulina Heuss erläuterte die Herkunft des Volkstrauertags, die Einführung dieses Gedenktages im Jahre 1922 als Zeichen der Solidarität gegenüber denjenigen, die im ersten Weltkrieg den Verlust der Gefallenen erleiden mussten, wobei dieses Zeichen ganz unabhängig von Nationalität, Religion, Herkunft oder Sprache sein sollte. Auch Paulina Heuss betonte die Wichtigkeit des „nach vorne Blickens“, die Wichtigkeit, „Gutes zu tun“, auch „um Gutes zu erfahren“. Illustriert wurde dies vom Schüler Martin Hempfling, der einige Zeilen aus einem Gedicht von Peter Härtling („Wenn jeder eine Blume pflanzte“) vortrug. Als freundliche Verbeugung an die Gäste der Wiesbadener US Garnision rezitierte Paulina Teile ihres Textes in englischer Sprache, beeindruckend in ihrer phonetischen Präzision.

Die Gedanken von Niklas Kock über die Entstehung von Hass waren nicht weniger eindringlich. Er wies auf Kriegsparteien, die sich bis auf den Tod bekämpfen, hin, auf Soldaten, die ihren direkten Gegner nicht unmittelbar kennen, oftmals nicht wissend, wen sie töten und warum eigentlich sie ihren Gegner verachten. Er betonte die Wichtigkeit der Kommunikation als Mittel des Verstehens, als Mittel der Prävention vor dunklen Emotionen wie eben Hass. „Man braucht keinen Hass im Leben, Liebe dagegen schon. Kann man den Hass nicht einfach durch Liebe ersetzen?“.

Anne Veit schuf einen aktuellen Bezug von besonderer Unmittelbarkeit durch die Schilderung eigener Erlebnisse in jüngster Zeit. Der Krieg, zwar als Schrecken bekannt, sei in seiner Abstraktion trotzdem oft sehr weit entfernt. Anne Veit beschrieb, wie sie Zeugin eines Gesprächs zweier älterer Damen wurde, beide stammend aus einer Generation, die noch erfahren musste, „wie sich ein Krieg wirklich anfühlt“, und für beide Damen war der derzeitige Ukraine-Konflikt nicht gar so weit und ebenfalls die Möglichkeit, dass dieser Krieg bis nach Deutschland reichen könnte, schien auf einmal nicht mehr so abwegig. Erst recht, als Anne Veit im Rahmen eines Nicaragua-Besuchs per Flugzeug zu reisen hatte, in diese Zeit der entsetzliche Abschuss der MH17 fiel und damit das Gefühl aufkam, dass ein einfaches Passagierflugzeug aufgrund der „falschen“ Flugroute jederzeit abgeschossen werden könne, kam ihr die Erkenntnis, dass Krieg letztlich einen jeden treffen könne – auch hier im vermeintlich sicheren Deutschland. Es wurde ihr noch einmal verdeutlicht, „wie viel der Frieden wert ist und dass es ihn zu bewahren gilt“. Und: „Vielleicht muss jeder diesen Wunsch verspüren, um den Krieg für jeden Menschen auf dieser Welt nur noch durch ferne Vorstellungen erfahrbar zu machen.“.

Auch Sebastian Pfeiffer beschrieb das Thema Krieg für die heutige Generation als kaum unmittelbar präsent – und wenn doch, dann eher aufgrund des Erlebens im Fernsehen. Er verdeutlichte, dass dies ein Glücksfall sei: „Das Privileg eines dauerhaft befriedeten Umfelds hatte kaum eine Generation vorher.“. In der Suche nach Antworten auf die Frage, was denn die Grundlage für den andauernden Friedenszustand sei, kam Sebastian auf das „Projekt Europa“ zu sprechen. Europa, ein Kontinent, dem es nach diversen vorangegangenen Europäischen Kriegen gelungen sei, eine dauerhafte Befriedung zu erreichen, „aus alten Erbfeinden Partner zu machen, die in der Lage sind, freundschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe zu pflegen.“ Entsetzlich sei es allerdings gewesen, dass doch noch zwei Weltkriege geschehen mussten bis zur Erkenntnis, wie Europa sein Potential nutzen könne, und dass deshalb eine entsetzlich große Zahl an Kriegs-Opfern zu beklagen sei.

In der letzten Schülerrede griff Florian Baum die Problematik und Tragik aktueller Krisenregionen auf. Er kam auf die Schrecken des Islamischen Staates zu sprechen, darauf, dass es auch heute noch diverse Krisen- und Kriegsgebiete gibt, in denen immer wieder Tote und Verletzte zu beklagen seien, es immer wieder Trauer gebe und man glauben könne, dass Menschen aus den Weltkriegen teilweise doch nichts gelernt haben. Und er betonte, dass eben weiterhin die Notwendigkeit bestehe, den Volkstrauertag zu begehen in seiner Funktion des Gedenkens, Innehaltens und des „Sich-bewusst-machens“, erst recht, solange in jeder Minute weltweit unzählige Menschen durch unfassbare Gewalt und Hunger sterben – auch wenn der Fokus der Medien nicht immer auf sie gerichtet sei.

Im Anschluss an diese Schülerbeiträge gedachte Stadträtin Rose-Lore Scholz in ihrer Funktion als Vertreterin des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge den Opfern von Krieg und Gewalt in Vergangenheit und Gegenwart.

Nach der sich anschließenden Kranzniederlegung am Mahnmal des Südfriedhofs spielte das Hessische Polizeiorchester abermals und beendete schließlich die Gedenkfeier am Mahnmal mit dem Vortrag der deutschen Nationalhymne. Es folgte ein Trauerzug, der zu den Grabfeldern der „Opfer des Krieges unter der Zivilbevölkerung und den Zwangsarbeitern“ sowie der „Opfer der Euthanasie und der Konzentrationslager“ führte, wo Stefan Fink, Vorsitzender der Stadtversammlung der Katholiken Wiesbadens, jeweils kurze Worte des Gedenkens sprach.

Zurück blieb die Erkenntnis, die Florian Baum zuvor formulierte: „Wir brauchen den Volkstrauertag, und wenn es nur für die Stille ist, an die Toten zu denken, deren Leben so grundlos enden muss.“

 

Bericht und Fotos: Becker

 

Weitere Links zu Beiträgen zum Volkstrauertag auf externen Seiten:

 

Wiesbadener Kurier

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